Der Tannenbaum ist abgeschmückt. Das neue Jahr liegt vor uns. Leicht und
unbekümmert. Als hätte man vor ein paar Tagen einen schweren Mantel
abgelegt. Den schweren Rucksack in die Ecke gestellt. Draußen ist der
erste Wintersturm vorüber und es ist bitterkalt. Ich sehne mich nach ein
bisschen barfuß im Sand und ein wenig wärmende Sonnenstrahlen im
Gesicht.
Immer wenn wir im Sommer zurückkommen aus unserem Ferienhaus wird mir
bewusst, mit wie wenig man im Leben eigentlich auskommen kann. Man
benötigt keinen Schrank mit Mengen an Besteck und Tellern, keine riesen
Vorratsschränke, 10 Rollen Geschenkpapier oder einen Haufen an Tüchern
und Schals.
Laut einer Statistik besitzt jeder Deutsche rund 10.000 Gegenstände und
es kommen ständig neue dazu. Spätestens wer schon mal umgezogen ist,
merkt wie viel das sein kann. Manche Kartons stehen nach Jahren noch
unangerührt im Keller. Niemand vermisst die Dinge, die sich darin
befinden. Im Kleiderschrank liegen Sachen, die längst zu klein oder aus
der Mode gekommen sind. Man besitzt Töpfe, mit denen man die ganze
Nachbarschaft mitverpflegen könnte. Braucht man wirklich eine Wokpfanne,
Bratpfanne, Schmorpfanne und eine zusätzliche aus Eisen? Nur, damit wir
für den Fall der Fälle bestens gerüstet wären?
Wahrscheinlich sammelt jeder kleine Kostbarkeiten. Dinge, die uns
wichtig sind. An denen unser Herz hängt. Bei mir ist es die Leidenschaft
zu Kinderbüchern, Zeitschriften und besonderen Latte Cups. Im Laufe der
Zeit sind es immer mehr geworden. Zu fast jeder Tasse gibt es sogar
eine Geschichte. Für meine letzten Errungenschaften musste mein Mann auf
einer Landstraße in Nordseeland eine Vollbremsung hinlegen. Sie
warteten nur auf mich und standen an einem kleinen Loppe – Stand am
Straßenrand zweier dänischer Frauen, die wohl auch gerade darüber
nachgedacht hatten etwas minimalistischer leben zu wollen. So landeten
kurzerhand weiter 6 Cups in meinem Fundus.
Warum sammeln wir eigentlich Dinge? Zumindest nicht, weil wir sie
unbedingt zum Leben brauchen. Über Dinge definieren wir uns. Denn ohne
sie würden wir Menschen nicht richtig wahrnehmen und wahrgenommen
werden, denke ich. Nichts, was eine Geschichte über uns erzählt. Unser
Haus ist der Spiegel unserer Seele. Fotos um uns herum erwecken
Erinnerungen, Souvenirs erinnern uns an Reisen und den letzten Urlaub,
die ersten Schuhe unserer Kinder oder alte Schulhefte aus der Kindheit.
All das erweckt Gefühle und Erinnerungen. Kleine Anker, um nicht zu
vergessen geben uns vielleicht ein wenig Sicherheit. Allerdings gibt es
zu diesem Thema reichlich schlaue Berichte, Tipps und Tricks, die
versuchen dies zu widerlegen.
Sind minimalistische Menschen also nicht reich an Erinnerungen? Bestimmt
sind sie das, jedoch klammern sie nicht an zahlreichen Stehrümmchen.
Denn sich erinnern kann man auch ohne sie.
Ausmisten, Verschenken, Wegwerfen. An Freiheit gewinnen. Bewusster
einkaufen. Und das gilt nicht nur für materielle Dinge, sondern auch für
oberflächliche Bekanntschaften. Die, die sich immer nur dann melden,
wenn sie was brauchen oder ganz dringend ihre Sorgen los werden wollen,
ohne selbst ein offenes Ohr für andere zu haben. So bleibt Mee(h)rZeit
für die wichtigen Menschen im Leben.
Arm ist nicht der, der wenig hat, sondern der, der nicht genug bekommen kann.
Ich selbst gehöre ganz und gar nicht zu den Minimalisten. Auch ich hänge
sehr an Dingen und liebe das Schlendern über Flohmärkte viel zu sehr.
Trotzdem habe ich mir vorgenommen, bei schönem Wetter eine Bücherkiste
vor die Gartenpforte zu stellen. Mit der Aufschrift ZU VERSCHENKEN. Mir
einen Stand auf dem Flohmarkt zu buchen und mich ein bisschen frei zu
machen von Dingen, die andere vielleicht mehr benötigen.
Ich fange gleich morgen mit dem Ausmisten an! Vielleicht auch bezüglich anderer Dinge im Leben.